Schlussbemerkungen

In den vorherigen Modulen haben Sie einen kurzen Überblick über einige der relevanten Theorien und Praktiken der Traditionellen Chinesischen Medizin und der Pferdeakupressur erhalten. Da dies ein so umfangreiches Thema ist, mit dem man sich ein Leben beschäftigen und immer Neues hinzu erlernen kann, um die eigene Praxis zu verfeinern und zu vertiefen, haben wir in dieser Einführung tatsächlich nur in die Welt der TCM hineingeschnuppert und den großen Zeh ins Wasser getaucht.

In diesem abschließenden Kapitel schauen wir uns an, welche ersten einfachen praktischen Schritte Sie unternehmen können, um das in diesem Kurs Gelernte, in die Praxis umzusetzen.

Die vier diagnostischen Methoden zusammen mit den grundlegenden TCM-Theorien und der Beurteilung der Zustimmungspunkte können Hinweise darauf geben, wo möglicherweise ein Ungleichgewicht bei einem Pferd vorliegt.

Präsentiert sich beispielsweise ein Pferd mit Husten, trockenem und stumpfem Fell, Ausfluss aus den Nüstern und Reaktivität am Punkt Blase 13, dem Zustimmungspunkt der Lunge, deutet dies darauf hin, dass möglicherweise ein Ungleichgewicht im Element Metall und dem damit verbundenen Lungenmeridian- und / oder Zang-Fu-Organsystem der Lunge vorliegt.

In diesem Fall können Sie beispielsweise den Zustimmungspunkt Blase 13 auch zur Behandlung einsetzen, um das Ungleichgewicht zu beheben.

Ein weiteres Beispiel ist ein Pferd mit Sehnenproblemen, das eine Reaktivität am Punkt Blase 18, dem Zustimmungspunkt der Leber, und / oder am Punkt Blase 19 zeigt, dem Zustimmungspunkt der Gallenblase. In diesem Fall können Sie mit Blase 18 und / oder Blase 19 arbeiten, um das Ungleichgewicht zu beheben.

Orientieren Sie sich dabei auch gerne an den Entsprechungen nach den Wandlungsphasen.

Hinweis: In einem fortgeschritteneren Stadium würde man weitere Punkte zur Verfeinerung der Diagnostik hinzuziehen und die Behandlung um weitere passende Punkte ergänzen.

Werfen wir nun einen Blick auf die Schritte einer vollständigen Akupressurbehandlung werfen.

Beachten Sie vorab die folgenden Kontraindikationen:

  • tragende Stuten, da die Arbeit an bestimmten Akupunkturpunkten zum Abort führen kann.
  • offene Wunden
  • Notfälle. Bitte ziehen Sie Ihren Tierarzt zu Rate.
  • plötzliche Verhaltensänderungen. Klären Sie – evtl. tierärztlich – ab und stellen Sie sicher, dass nicht Schmerzen die Ursache für die Verhaltensänderung sind.
  • Vermeiden Sie unmittelbar vor und nach einer vollständigen Akupressurbehandlung das Training (es ist in Ordnung, beispielsweise bestimmte Punkte beim Putzen einzubeziehen
  • Innerhalb von 2-3 Stunden nach der Fütterung von Kraftfutter

Akupressurbehandlung – Übersicht

Die einzelnen Schritte einer vollständigen Akupressurbehandlung sind:

  • Vorbereitung vor der Behandlung
  • vier diagnostische Methoden:
    • Inspektion
    • Anamnese
    • Hören und Rieche
    • Palpation:
      • Allgemeine Palpation
      • Eröffnung entlang des Blasenmeridians
      • Beurteilung der Zustimmungspunkte
  • Auswahl der Akupressurpunkte und Erstellung des Behandlungsplans
  • Arbeit an Punkten
  • Abschluss der Behandlung entlang des Blasenmeridians

Lassen Sie uns nun die vorgenannten Schritte ausführen und sie auf das Pferd mit Atemwegsproblemen aus dem ersten Beispiel anwenden.

Die Vorbereitung vor der Behandlung umfasst die Auswahl eines geeigneten, sicheren und ruhigen Arbeitsortes. Daneben ist es an uns, uns an einen Platz in unserem Inneren zu begeben, um mit der folgenden – heilenden – Arbeit zu beginnen. Wir sollten vollkommen präsent sein, d. h. alles andere, was in unserem Leben gerade vor sich geht, muss in den Hintergrund treten. Unterstützen können wir dies mit einer kurzen Energie- und / oder Meditationspraxis. Bevor wir mit der Arbeit am Pferd beginnen, formulieren wir außerdem eine heilende Intention, die das Leitprinzip für die folgende Arbeit sein wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, das Pferd um Erlaubnis zu bitten – dies können wir im Stillen tun. Wir arbeiten nicht an einem Pferd, das nicht bereit ist, mit uns zu arbeiten und unsere Arbeit anzunehmen. Aber wir können unser Anliegen mehrere Male wiederholen. Sollten wir beispielsweise ein “Nein” erhalten, können wir den Standort ändern und erneut fragen, und die Situation hat sich möglicherweise geändert. Sollte es zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bei einem klaren Nein bleiben, können wir es zu einem späteren Zeitpunkt erneut versuchen.

Nun können wir mit der Sitzung und den vier diagnostischen Methoden beginnen.

Wir beginnen mit der Inspektion und sehen möglicherweise ein Pferd mit zähflüssigem Ausfluss aus den Nüstern. Weitere Anzeichen, die auf ein Ungleichgewicht auf Ebene der Lunge hinweisen können, sind der Zustand der Haut und des Fells des Pferdes (siehe die 5 Wandlungsphasen und ihre Entsprechungen). Wenn das Fell beispielsweise stumpf aussieht, ist dies ebenfalls ein Hinweis auf ein Problem auf der Ebene des Lungenmeridians.

Nach der Inspektion führen wir die Anamnese durch. Wenn Sie an Ihrem eigenen Pferd arbeiten, wird diese natürlich durch Ihr eigenes Wissen über das Pferd und seinen Zustand ersetzt. Andernfalls holen Sie von seinem Besitzer so viele Informationen wie möglich über das Pferd ein. In diesem Fall kann es um Details zu den Atemwegsproblemen gehen, wie z. B. deren Schwere, etwaiger Ausfluss aus den Nüstern (wann? Wie oft? Farbe? Konsistenz? etc..), wann hustet das Pferd, andere Faktoren, die Ursache sein können, Haltungsbedingungen usw. In unserem Beispiel haben wir es mit einem akuten Husten zu tun – einer Erkältung.

Im Anschluss an die Anamnese widmen wir uns dem Hören und Riechen. Abhängig von der Schwere der Erkrankung können wir beispielsweise Husten und / oder andere Atemgeräusche hören. Ein weiterer Indikator für ein Lungenungleichgewicht kann der Geruch des Ausflusses aus den Nüstern oder auch des Fells sein. Der mit der Lunge verbundene Geruch ist “verrottet” (siehe die 5 Wandlungsphasen und ihre Entsprechungen).

Sobald wir die obigen Informationen gesammelt und notiert haben, beginnen wir mit der allgemeinen Palpation. Bei der allgemeinen Palpation gleiten wir mit unseren Händen sanft über den Körper des Pferdes, um weitere Informationen mit unseren Händen zu sammeln. Wir achten dabei zum Beispiel auf Temperaturunterschiede, Muskulatur, Schwellungen, Beschaffenheit des Fells etc.

Von der allgemeinen Palpation gehen wir zur Eröffnung der eigentlichen Akupressurbehandlung entlang des Blasenmeridians über. Hier wird unsere Berührung zielgerichteter und obgleich wir einerseits den Blasenmeridian zur Beurteilung und zum Erfühlen von Ungleichgewichten heranziehen, beeinflussen wir andererseits das Meridiansystem bereits energetisch durch unsere heilende Aufmerksamkeit. Im vorliegenden Beispiel könnte sich der Bereich hinter dem Widerrist kalt anfühlen. Hier befindet sich der Zustimmungspunkt der Lunge, Blase 13.

Nach der Eröffnung testen wir die Zustimmungspunkte. Auch hier erhalten wir möglicherweise eine Reaktion hinter dem Widerrist, wenn wir Blase 13, den Zustimmungspunkt der Lunge, testen. Der Punkt fühlt sich vielleicht auch eingefallen und kalt an. Dies ist ein Hinweis auf ein Ungleichgewicht des Lungenmeridians / -organs. In einem fortgeschritteneren Ausbildungsstadium würden wir zusätzliche diagnostische Punkte ergänzen, um das vorliegende Ungleichgewicht auf Ebene der Lunge genauer beurteilen zu können.

Basierend auf den gesammelten Informationen ist der Lungenmeridian / das Lungenorgan des Pferdes betroffen. Es handelt sich um einen (akuten) Füllezustand, der kalt und außen vorliegt (akut und eher kurzfristig). Unser daraus folgendes Behandlungsprinzip ist es, Kälte zu sedieren.

Jetzt sind wir bereit, mit unserer eigentlichen Punktearbeit zu beginnen. Ein Akupressurpunkt, den wir in diese Arbeit aufnehmen werden, ist Blase 13. Die Zustimmungspunkte werden nicht nur zur Diagnostik eingesetzt, sondern sie sind auch wichtige Punkte für die Behandlung. Im Folgenden werden zwei grundlegende Techniken für die Arbeit an Akupressurpunkten beschrieben. Achten Sie auf die Reaktionen des Pferdes während der Behandlung und notieren Sie diese. Die Reaktionen können unterschiedlich sein, z. B. Entspannung, Blinzeln, tiefes Atmen, Gähnen usw. Arbeiten Sie mit den ausgewählten Punkten auf beiden Seiten des Pferdes.

Nach Durchführung der Punktarbeit beenden wir die Sitzung mit einem Abschluss entlang des Blasenmeridians. Dies gibt uns die Möglichkeit, Änderungen zu spüren, die während der Arbeit an den Akupressurpunkten eingetreten sind, d. h. Blase 13 sollte sich normal anfühlen und nach der Sitzung nicht mehr kalt und eingesunken sein. Der Abschluss dient auch dazu, die Energie der Sitzung zu ‚glätten‘ und zurück ins Gleichgewicht zu bringen.

Basis-Techniken zur Arbeit an Punkten

Es gibt zwei grundlegende Techniken zur Stimulation von Akupressurpunkten: die Daumen-Technik und die Zwei-Finger-Technik. Beides sind Techniken, mit denen unmittelbarer – sanfter – Druck ausgeübt wird, die auf Chinesisch An Fa genannt werden. Sie müssen dabei nicht fest nach unten drücken, da sich die Meridiane und Akupunkturpunkte direkt unter der Hautoberfläche befinden. In der Tat ist eine sanftere Praxis besser, damit Sie den Qi-Fluss nicht behindern.

Daumen-Technik

Legen Sie die Spitze Ihres Daumens sanft in einem Winkel von 45 bis 90 Grad auf den Akupunkturpunkt, zählen Sie langsam bis 30 und fahren Sie dann mit dem nächsten Punkt fort.

Zwei-Finger-Technik

Legen Sie Ihren Mittelfinger auf Ihren Zeigefinger. Legen Sie dann die Spitze Ihres Zeigefingers leicht in einem Winkel von etwa 45 bis 90 Grad auf den Akupunkturpunkt und zählen Sie langsam bis 30.

Wenn sich das Pferd bei der Arbeit an einem bestimmten Akupressurpunkt unwohl fühlt, fahren Sie mit einem anderen Punkt fort und versuchen Sie es bei der nächsten Sitzung erneut. Es bringt keinen Nutzen, wenn sich das Tier unwohl fühlt oder sich der Arbeit widersetzt.

Sie können den obigen Ablauf mit jedem Ungleichgewicht umsetzen, das Sie mithilfe der vier diagnostischen Methoden, der fünf Wandlungsphasen und ihren Entsprechungen und der Beurteilung der Zustimmungspunkte identifizieren können.

Bitte beachten Sie, dass dies eine stark vereinfachte Version der Beurteilung und Punktearbeit einer Akupressurbehandlung ist. In einem fortgeschrittenen Stadium würden Sie die Akupressurbehandlung um weitere Akupressurpunkte auf den anderen 11 Hauptmeridianen ergänzen. Je tiefer Sie in die Theorie und Praxis der Traditionellen Chinesischen Medizin einsteigen, desto präziser wird Ihre Einschätzung und Ihre Auswahl der Akupressurpunkte, was zu einer höheren Wirksamkeit der Akupressur führt.

Zum jetzigen Zeitpunkt bietet Ihnen die Arbeit entlang des Blasenmeridians und mit den Zustimmungspunkten die Möglichkeit, die Akupressur am Pferd in der Praxis zu erleben und auszuprobieren. Für die tiefergehende und fortgeschrittene Arbeit empfehle ich die Teilnahme an praktischem und persönlichem Unterricht, da Online-Schulungen nur eine Ergänzung und kein Ersatz für Präsenzunterricht und die Praxis am Pferd unter Anleitung sein können.